Meinungen und Thesen. Kritik am Quartiersmanagement und einer neoliberalen Stadtpolitik in Offenbach. (Teil 3)

Bei der Betrachtung der Akteur*innen und Förderstrukturen hinter dem offenbacher Quartiersmanagement ist uns einiges aufgefallen. Einige Thesen und Meinungen wollen wir hier zusammentragen um eine kritische Betrachtung der Rolle des Quartiersmanagements anzuregen.

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Was sich für uns aus der beschriebenen Zusammensetzung und Struktur des QMs in Offenbach ergibt:

  • Zahlreiche der am QM beteiligten Akteur*innen können direkt mit den Bereichen Sanierung, Aufwertung und Immobilienwirtschaft in Verbindung gebracht werden. Ein eindeutiges Interesse ihrerseits am Offenbacher Immobilienmarkt liegt nahe. ‘Aufwertung’ wird i.d.R. positiv verstanden und soll durch soziale Projekte legitimiert bzw. abgefedert werden. Die Beteiligung der SOH und der OPG an der Vermarktung und Erschließung des Hafens, sowie am Umbau des ehemaligen Stadtteils Lohwald machen deutlich, dass die Bestrebungen das Image Offenbachs zu verbessern, klar im Zusammenhang mit der Möglichkeit größerer Profite zu generieren verstanden werden kann. Es fragt sich wie ein QM auf diese Weise die Lebensqualität ALLER Bewohner*innen verbessern will. (Siehe auch Zitat aus FR-Artikel zum QM im Mathildenviertel: “Ob sich noch einer an die Schmuddelecken im Mathildenviertel erinnert? Die haben in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen. Denn dortige Haus- und Wohnungseigentümer investieren vermehrt in ihren Besitz, renovieren, sanieren, stocken auf. Das ist ein Ergebnis des Quartiersmanagements. Zumindest stellen das Kämmerer Michael Beseler und Mainarbeit-Chef Matthias Schulze-Böing bei der Präsentation eines Zwischenberichts zum Quartiersmanagement so dar.”)
  • Aus dieser Beobachtung leitet sich darüber hinaus die Frage nach der demokratischen Legitimation des QMs ab. Aus der Struktur des offenbacher Quartiersmanagements wird deutlich, dass die Mitarbeiter*innen des QMs lediglich ihren Auftraggebern, also der Stadt Offenbach sowie der SOH, verpflichtet sind. In dem die Steuerungsgruppe ausschließlich aus dem Referat für soziale Stadtentwicklung und -Planung, Vertreter*innen der Stadtverwaltung sowie der Stadtwerke Offenbach Holding besteht (siehe auch Sachstandsbericht S. 9 und 10), entzieht sich das QM weitestgehend einer öffentlichen Kontrolle. Angesichts der oben genannten Eigeninteressen der am QM beteiligten Unternehmen, welche sich auffallend mit den Maßnahmen gegen einen ‘Negativtrend in Offenbach’ überschneiden, erscheint eine einseitig besetzte Kontrollgruppe wenig vertrauenserweckend. Während das QM ‘Bürger*innebeteiligung‘ ermöglichen will, klammert es die Frage danach, wie eigentlich darüber entschieden werden sollte, wer im Quartier was zu managen hat, grundsätzlich aus. Auch die Frage, ob Offenbach ein Quartiersmanagement braucht, wird den Bewohner*innen nicht gestellt. Quartiersmanagement und Aufwertung werden so zu einem Sachzwang umgedeutet, der auf diese Weise nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt werden kann.
  • Auch fällt auf, dass die genannten Projekte wie ‘Besser leben in Offenbach’ ursprünglich städtische Aufgaben nun durch zivilgesellschaftliches, ehernamtliches Engagement zu kompensieren versuchen. Das Sauberhalten der Parkanlagen, das Melden nicht geleerter Mülltonnen, aber auch Kinderbetreuung, Integration u.ä. werden durch eine gezielte Aktivierung immer mehr von Bürger*innen übernommen, welche die Aufgaben ohne oder gegen eine sehr geringer Bezahlung übernehmen. Im Bezug auf Urban Gardening Projekte verweist Margit Rosol in ihrer Dissertation auf ähnliche  Beobachtungen hin: Nämlich, dass mit den immer knapper werdenden Budgets  der  Städte und Kommunen auf einmal freiwilliges Engagement wieder  aufgewertet wird: “ehemals bekämpfte Formen von Selbstorganisation   erfahren eine Aufwertung und werden als endogenes Potenzial der unternehmerischen Stadt entdeckt”. Gleichzeitig verweist auch sie auf  die  Gefahr, dass die Freiwilligkeit solcher Projekte (wie in ihrem Fall  der  Begrünung Berlins) schnell verloren gehen kann, weil sich die  Stadt aus  dieses (teuren) Gebieten völlig zurückzieht und die Bewohner*innen wählen können diese Aufgaben komplett zu übernehmen oder ganz auf die von ihnen erbrachten Leistungen zu verzichten. (Marit Rosol: Gemeinschaftsgärten in Berlin).
  • Darüberhinaus stolpert man darüber, dass das QM im Bereich der Schaffung von Arbeitsgelegenheiten aktiv ist und somit Stellen im Niedriglohnsektor schafft. Es schafft auf diese Weise selbst prekäre Beschäftigungsverhältnisse und stellt gleichzeitig eine ernstzunehmende Konkurrenz für den 1. Arbeitsmarkt dar, indem AGHs Tätigkeiten umfassen, welche auch auf dem 1. Arbeitsmarkt angeboten werden. Es erscheint paradox, dass ein Projekt welches die Lebensbedingungen der Bewohner*innen verbessern möchte, selbst unsichere und ‘billige’ Anstellungsverhältnisse schafft.
  • Außerdem sind wir verwundert darüber, dass Informationen zur aktuellen Finanzierungsstruktur des QMs nur schwer zu finden sind. Mit dem Sachstandsbericht 2010/2011 als letztem ausführlichen Bericht bleibt unklar wie beispielsweise mit dem Wegfall der HEGISS-Gelder oder mit gesetzlichen Änderungen im Bereich der Arbeitsgelegenheiten umgegangen wird.
  • Schließlich wird deutlich, dass das QM wesentlich an der Durchsetzung der Instrumente eines neoliberalen Staats beteiligt ist: in dem es Aktivierungsmaßnahmen vorantreibt, zunehmend die Aufgaben eines Sozialstaats auf Indiviuden abwälzt, Austeritätspolitik auf den Schultern der Bewohner*innen verteilt, sowie bestrebt ist die Ergebnisse sozialen Lebens (die für die ‘Lebendigkeit’ oder die ‘Kreativität’ im Quartier sorgen) zu vermarkten und in Wert zu setzen. Es scheint als würde QM die Probleme, die es vorgibt beheben zu wollen, mehr und mehr  verstetigen in dem seine Instrumente die Ursachen dieser Probleme eher tragen und reproduzieren, als sie tatsächlich in Frage zu stellen. Sicher sind einzelne Projekte, welche im Rahmen des QMs stattfinden für sich genommen für einzelne Menschen sinnvoll, hilfreich und erfreulich. Dennoch wollen wir die Frage stellen, wie emanzipatorisch eine Institution sein kann, die so sehr mit neoliberalen Logiken verquickt ist. Es scheint uns zweifelhaft dass das QM – selbst wenn man den Mitarbeiter*innen einen guten Willen zu unterstellen bereit ist – in der Lage ist Armut, Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung effektiv zu bekämpfen, wenn es sich nicht ausdrücklich von neoliberalen Verwertungslogiken und den Auswirkungen profitorientierter Stadtpolitik distanziert.

„Es gibt keine andere als politische Pädagogik, und je unpolitischer eine Pädagogik sich versteht, desto gefährlicher sind ihre politischen, ihre herrschaftsstabilisierenden Wirkungen.[…] Es kann nur darum gehen, welche Politik ein Erzieher macht, die der Unterdrücker oder die der Unterdrückten.“ (Lange1985, 17)

Logik statt Einzelfall

Unsere Betrachtungen richteten sich an dieser Stelle ausschließlich auf das Quartiersmanagement in Offenbach. Mit Hinweisen auf das Konzept der neoliberalen Stadt, die Logik eines aktivierenden Staats, sowie mit Verweisen auf Beispiele aus anderen Städten wollen wir jedoch deutlich machen, dass es sich hier um eine weitgreifende Logik handelt. Wir verstehen das QM in Offenbach also als eine mögliche Ausprägung und Realisierung dieser Logik, nicht aber als deren Quelle und Ursprung.


Zum Weiterlesen:

“Urbane soziale Bewegungen in der neoliberalisierenden Stadt” von Margit Mayer.

“Gemeinschaftsgärten in Berlin” von Marit Rosol.

Hände weg vom Wedding: Rolle und Funktion des Quartiersmanagements.

Quartiersmanagement, Nein Danke!