Quartiersmanagement OF – Wer steckt dahinter? (Teil 1)

Um zu verstehen, welche Rolle das Quartiersmanagement (QM) in Offenbach spielt, ist es lohnend sich einmal genauer anzuschauen wie es entstanden ist, welche Akteur*innen daran beteiligt und welche Förderstrukturen und Finanzierungs- maßnahmen dahinter stecken.

 

Teil 1: 2001-2010 Soziale Stadt Offenbach, Quartiersmanagement ‚östliche Innenstadt‘ durchgeführt durch die Nassauische Heimstätte.

Teil1

Bild: http://www.soziale-stadt-offenbach.de/

Das QM in Offenbach begann 2001 mit einem Stadtteilbüro im Rahmen des Bund-Länder-Programms „Soziale Stadt„. Das Programm verfolgte das Ziel der „strukturellen Verbesserung des städtebaulichen Wohnumfeldes“, welches mit Hilfe des Quartiersmanagements erreicht werden sollte. Als Faktoren, nach denen QM als notwendig angesehen und vom „Soziale Stadt“-Programm gefördert wurde, galten u.a.:

  • extrem hohe Bewohner*innen- und Nutzungsdichte
  • relativ schlechte Wohnungsbausubstanz und Wohnumfeldqualität
  • große Zahl einkommensschwacher und bildungsferner Haushalte
  • hohe Anzahl Bewohner*innen mit Migrationshintergrund

Die Finanzierung wurde dabei wettbewerbsartig über Bewerbungsverfahren vergeben, was allerdings nicht ganz unproblematisch ist: Denn diese Form des Wettbewerbs setzt zum einen ein mehr oder weniger gutes Verhältnis zum Förderer voraus und schafft somit klare Abhängigkeitsstrukturen: Wer eine Förderung will, darf nicht durch Unangepasstheit o.ä. negativ auffallen. Da das Programm Soziale Stadt klare Zielvorgaben formuliert und lediglich als Anschubfinanzierung gedacht ist, müssen die eingereichten Projekte zum anderen leicht zu kommunizieren und erfolgsversprechend sein. Schwierige und tiefsitzende Probleme werden so in der Regel tabuisiert, während gefördert wird, was kurzfristige Erfolge verspricht. Gleichzeitig stehen die verschiedenen Bewerber untereinander in Wettbewerb und sind gezwungen ihre Leistungen immer mehr als warenförmige Dienstleistungen anzupreisen. (Siehe z.Bsp. Margit Mayer: „Drittsektor-Organisationen in der Politik gegen soziale Ausgrenzung. Neue Partner der Verwaltung?“ S.60 In: Forschungsjournal für soziale Bewegungen, 2005 (3) S. 58-68).

Die Unternehmensgruppe Nassausische Heimstätte (NH) ist nach eigenen Angaben „eines der führenden, deutschen Wohnungsunternehmen“ mit mehrheitlicher Beteiligung des Landes Hessen. Sie besitzt über 61.500 Mietwohnungen, ist im Bereich des geförderten Wohnungsbaus tätig und plant und entwickelt „Stadtquartiere mit Flair“. Seit den 1970er Jahren hat die Nassauische Heimstätte darüber hinaus ihr Angebot im Bereich Stadtentwicklung, Projektentwicklung und Consulting sowie in der Altstadtsanierung und Wohnungsmodernisierung wesentlich ausgebaut. In Offenbach verfügt die NH aktuell über mehr als 2.800 Wohnungen.

Im Jahr 2002 erteilte die Stadt Offenbach der Nassauischen Heimstätte (NH) den Auftrag für das Quartiersmanagement für die südliche Innenstadt Offenbach. Interessant dabei ist, dass diese erst 2001 dadurch positiv aufgefallen war, dass sie nach langen Verhandlungen mit der Stadt Offenbach einwilligte, bis zu 40 Mio. DM in die Sanierung ihres Wohnungsbestandes in Offenbach zu investieren, nachdem einige der Häuser “ dem Verfall schon sehr nahe“ gewesen sein sollen.

Inwiefern die NH mit Hilfe dieses Auftrags ihren eigenen Interessen in Offenbach zuarbeiten konnte, ist nicht zu sagen. Dass sich durch den Auftrag, dem ‚Negativtrend‘ in Offenbach entgegenzuwirken, Überschneidungen ergeben, scheint jedoch naheliegend.

Neben einer großen Anzahl an unterschiedlichsten, im Rahmen des QMs durchgeführten Projekten, kamen bereits unter der Nassausischen Heimstätte Langzeitarbeitslose mittels Arbeitsgelegenheiten zum Einsatz, was wir an anderer Stelle bereits kritisiert haben. Neben der Einbindung von Vertretern des Planungsamts und des Jugendamts, ging das QM ebenfalls eine enge Kooperation mit der Arbeitsförderung Offenbachs ein.

Auffallend ist, dass die NH in Offenbach auch außerhalb des QMs auf den Einsatz ‚billiger Arbeit‘ zurückgriff: Unter anderem mit Hilfe des 2007 initiierten Qualifizierungsprogramms T.E.A.M. – „Ticket zur Einmündung in den Arbeits-Markt“ , mit dem sie Jugendliche ohne Schulabschluss, welche durch Schulungen im Bereich Renovieurng, Sanierung und Wohnumfeldverbesserung akquiriert, die auf eine Ausbildung vorbereitet werden sollen. Tatsächlich kommen diese Jugendlichen vorallem in offenbacher Liegenschaften der NH sowie in Liegenschaften der Stadt zum Einsatz und übernehmen Arbeiten für welche die Kommune, laut Markus Brückner (dem Leiter der NH-Geschäftsstelle in Offenbach), „kaum Geld“ zur Verfügung hätte. Mit T.E.A.M. können die Stadt Offenbach sowie die NH – dank 4.000 ‚kostengünstiger‘ Arbeitsstunden durch ‚benachteiligte Jugendliche‘ – ihre Liegenschaften dann aber doch trotz Geldknappheit und Austeritätspolitik aufwerten. (Auch darüber hinaus mischt die NH kräftig im Bereich des 3. Arbeitsmarkts mit: Ein Beispiel ist das Wohn-Service-Team, ein durch öffentliche Gelder (Bundesprogramm 50+) finanziertes Beschäftigungsprogramm. Durch die Subventionen konnten die angebotenen Leistungen wie Haushaltshilfe, Reperaturarbeiten u.ä. zu günstigeren Preisen als auf dem 1. Arbeitsmarkt angeboten werden. Eine ernste Bedrohung für zahlreiche Berufe im 1. Arbeitsmarkt, da es für die wenigsten Selbstständigen möglich ist mit den Preisen der geförderten Arbeitsmaßnahmen zu konkurrieren. Zitat: „Eine private Putzfrau könnte ich auf Dauer gar nicht finanzieren, aber das Wohn-Service-Team kann ich mir auch bei meiner kleinen Rente leisten“. Das verstärkt den Trend immer mehr in Richtung unzureichend bezahlten und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen. Das Besondere im Fall des Wohn-Service Teams: Das öffentlich geförderte (!) Projekt stand ausschließlich den Mieter*innen der NH zur Verfügung. Letztere trug dabei nur 20% der Kosten.)

2010 lief der Auftrag der Nassauische Heimstätte für das Projekt ‚Soziale Stadt Offenbach – östliche Innenstadt‘ aus. Auf http://www.soziale-stadt-offenbach.de/ fungiert das Projekt noch immer als Werbung für die NH:

„Lernen Sie das Quartiersmanagement der Nassauischen Heimstätte kennen und nehmen Sie einfach Kontakt mit uns auf!

Weiter zu Teil 2: Ab 2010 – QM Offenbach wechselt seinen Träger. Das Quartierbüro in der östlichen Innenstadt wird um Büros in Lauterborn und im Nordend erweitert.

 


Zum Weiterlesen:

Der Dritte Arbeitsmarkt: Konzepte, Ziele, Folgen. Ein Positionspapier der Aktionsgemeinschaft Nürnberger Arbeitsloser zum dritten Arbeitsmarkt und der Ausweitung des Niedriglohnsektors im Kontext neoliberaler Politik.

Die Nassausische Heimstätte zum T.E.A.M. Projekt.

Wohn-Service-Team wird ‚Dienste im Quartier‘. Während die Mitarbeiter*innen des WST noch festangestellt waren, sind sie mittlerweile als Minijobber*innen tätig.

Erster Zwischenbericht zum Quartiersmanagement ‚Östliche Innenstadt‘ vom Dezember 2000.

Sachstandsbericht des Quartiersmanagements ‚Östliche Innenstadt‘ von 2008.