Quartiersmanagement OF und Arbeitsmaßnahmen für Hartz-IV Empfänger*innen

Zum Einsatz von Hartz-IV-Empfänger*innen im Offenbacher Quartiersmanagement, oder: Wie das Quartiersmanagement durch Bürgerarbeit und Arbeitsgelegenheiten unsichere Stellen schafft, statt die Situation von Arbeitslosen tatsächlich zu verändern.

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Sachstandsbericht des Quartiersmanagements Offenbach von 2010/2011

Im Bezug auf die Frage, wie das Quartiersmanagement in Offenbach und Arbeitsmaßnahmen für Hartz-IV Empfänger*innen zusammenhängen, sind v.a. die Abschnitte 2.1. Personelle Neuorganisation des Quartiersmanagmenets (v.a. ab S. 13 zu Büregerarbeit und Arbeitsgelegenheiten) / 3.2. Rundgänge (S.24) / 3.3. Weitere Arbeitsgelegenheiten und Bürgerarbeit (S.26) interessant.

Sie zeigen in welchem Maße auch im Offenbacher Quartiersmanagement ‚Arbeitsgelegenheiten‘ und ‚Bürgerarbeit‚-Stellen geschaffen werden. Das Dezernat III Arbeitsförderung, Statistik und Integration verweist hier darauf, dass es „im Bereich der Stadtteilarbeit […] einen Bedarf an einfachen bis hin zu anspruchsvolleren gemeinnützigen Tätigkeiten [gebe], die sich gut dafür eigne[ten], von arbeitslosen Personen mit schlechten Vermittlungschancen unter Anleitung durchgeführt zu werden“ (S. 26)

Diese werden laut Sachstandsbericht u.a. für Rundgänge für „mehr Sauberkeit und Ordnung“ (S. 24), für die Unterstützung von Aktivitäten im Quartier wie Stadtteilfesten, Schulfesten, Kulturveranstaltungen oder Quartierszeitungen, sowie für die Mitarbeit im Stadtteilcafé (S. 27) eingesetzt.

Ziele wie „Sauberkeit und Ordnung“ werden dabei wie selbstverständlich als gemeinnützig verstanden. Angesichts der Tatsache, dass der Erfolg des offenbacher Quartiersmanagements augenscheinlich vorallem daran gemessen wird, dass „Haus- und Wohnungseigentümer vermehrt in ihren Besitz [investieren], renovieren, sanieren, [und auf-]stocken„, lässt sich jedoch fragen wer letzten Endes von den Maßnahmen für „Sauberkeit und Ordnung“ profitiert. In einem umkämpften und profitorientierten Immobilienmarkt besteht die Gefahr, dass Bürgerarbeiter*innen mit ihrer Arbeit vorallem dafür eingesetzt werden, die Attraktivität von Offenbach zu steigern, was letztendlich zu Mietpreiserhöhungen und einer Veränderung der Mieter*innenstruktur führen könnte. Paradoxerweise bergen Projekte mit denen Bürgerarbeiter*innen im Rahmen des Quartiersmanagaments beauftragt werden also das Potenzial Aufwertung voranzutreiben und damit gerade die Situation von Hartz-IV Empfänger*innen und Geringverdienenden am Wohnungsmarkt noch weiter zu erschweren.

Darüberhinaus scheint die Schaffung von Bürgerarbeits-Stellen und Arbeitsgelegenheiten einmal mehr dazu beizutragen, dass ‚Probleme‘ allgemeiner Art auf individueller Ebene angegangen werden, anstatt sie politisch anzugehen:

„Viele der Mitarbeiter des Quartiersmanagements (vor allem im Bereich AGH [Arbeitsgelegenheiten] und Bürgerarbeit) erhalten eine Qualifizierung. Kenntnisse in der Büroorganisation und -technik, Sozialkompetenz und Kenntnisse in Mediationstechnik beispielsweise sind wichtige Qualifikationen für eine erfolgreiche Arbeit im Quartiersmanagement.“ (Sachstandsbericht, S.17)

Neben einer grundsätzlichen Kritik am Konzept der Bürgerarbeit, wie sie unter anderem von der ‚Partei die Linke‘ formuliert wird, erinnert das Zitat aus dem Sachstandsbericht des Quartiersmanagements an die Kritik, die u.a. von Margit Mayer zum Zusammenhang von Quartiersmanagement und einer neoliberalen Arbeitsmarktpolitk, formuliert wird:

„Träger in beiden Bereichen [Programme für subventionierte Arbeitsgelegenheiten und Quartiersmanagement] sind zunehmend vollauf damit beschäftigt, ihre armen und Arbeit suchenden ‚Klienten’ auszubilden, zu vermitteln oder sie in kleinen Quartiersprojekten zu aktivieren, „anstatt sie politisch zu vertreten, Lobbying für sie zu betreiben, oder sich in Anti-Armuts-Bündnissen zu organisieren“ (Mayer 2005, S. 65)

Dies wirft die Frage auf, ob die befristete Beschäftigung von Erwerbslosen durch Bürgerarbeit und AGHs und einer unter dem Tariflohn liegenden Entlöhnung, tatsächlich als probates Mittel betrachtet werden kann, Erwerbslose langfristig aus der Abhängigkeit von Hartz-IV zu lösen. Viel eher so scheint es, werden prekäre Arbeitsverhältnisse und der Ausbau des Niedriglohnsektors auf diese Weise auch im Rahmen des Quartiersmanagements (welches ausgerechnet zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Bewohner*innen angetreten ist) reproduziert. Statt eine Politisierung und Organisierung der Arbeitslosen zu unterstützen und sich politisch gegen die sich zunehmend verschärfende Situation am Arbeitsmarkt, sowie gegen das Hartz-IV Regime einzusetzen, bindet das Quartiersmanagement die Energien der Hartz-IV Bezieher*innen durch Aufräumaktionen und Sicherheitsrundgänge. Auch wenn einzelne Bürgerarbeiter*innen berichten, dass die Bürgerarbeit ihnen das Gefühl gebe eine sinnvolle Arbeit zu verrichten (genaueres im ‚Journal Arbeitsmarkt aktuell‘ des DGB, S.5), bleibt fraglich wie diese Formen der Beschäftigung zu einer langfristigen Verbesserung der Situation von Erwerbslosen beitragen sollen.

So zeigen Evaluationen des Projekts ‚Bürgerarbeit‘, dass die Zahl der in den ersten Arbeitsmarkt vermittelten Menschen deutlich geringer auszufallen scheint als erwartet. Mit dem Auslaufen des Bürgerarbeitsprojekt Ende 2014 wird auserdem eine weitere Problemaktik deutlich: Einrichtungen, welche sich im wesentlichen auf Bürgerarbeiter*innen stützen, befürchten mit dem Wegfall der Finanzierung von Bürgerarbeitsstellen ab Ende 2014 ihre Arbeit nicht mehr im selben Maße fortzsetzen zu können.

Auch der Sachstandsbericht des Quartiersmanagements in Offenbach weist auf mögliche Engpässe durch Veränderungen in den Bestimmungen zu Arbeitsgelegenheiten hin, welche durch eine flexibilisierte Organisation des Quartiersmanagments zu kompensieren seien:

„Das gewählte Konstrukt für ein stadtteilübergreifendes Quartiersmanagement hat sich bewährt. Es ist kein statisches, einmalig konstruiertes Gebilde, sondern es unterliegt permanenten Entwicklungsprozessen, weil Organisationen, Institutionen und Unternehmen ihrerseits Veränderungen unterliegen und diese in den Stadtteilentwicklungsprozess einbringen. Dies können beispielsweise reduzierte verfügbare finanzielle Ressourcen oder veränderte politische und wirtschaftliche Interessen sein. Beispielsweise wollte das Quartiersmanagement weitere, über das Stammpersonal hinausgehende Personen beschäftigen, um mit ihrer Hilfe das Angebot des Quartiersmanagement inhaltlich zu erweitern. Doch änderten sich die Beschäftigungsmöglichkeiten für AGH und dies konnte auch durch Bürgerarbeitsplätze bisang nicht nahtlos ersetzt werden“ (S.41).*

In Anbetracht der Tatsache, dass die Finanzierungsstrukturen für Quartiersmanagement umkämpft und öffentliche Gelder knapp sind, legen diese Beobachtunge nahe, dass das Quartiersmanagement sowie kommunale, öffentliche Dienstleistungen auf Bürgerarbeit und AGHs angewiesen sind. Der Einsatz ‚billiger Arbeit‘ erscheint hier als Kompensation einer städtischen Austeritätspolitk.

*Anmerkung: Der hier vorliegende Bericht bezieht sich auf die Jahre 2010/2011 und somit noch(?) nicht auf das Auslaufen der Bürgerarbeit. Aktuellere Berichte konnten wir bisher leider nicht finden. Wie genau sich das Wegbrechen der Bürgerarbeit auf das QM Offenbach auswirken wird, kann folglich noch nicht hinreichend belegt werden).


Weitere Infos:

„Die Idee der ‚Bürgerarbeit‘ ist gescheitert“, Artikel aus ‚Die Volkstimme‘. Ein weiteres Beispiel dafür welche Rolle ‚billige‘  Bürgerarbeit im Kontext kommunaler Austeritätspolitik für öffentliche Einrichtungen, Vereine und Wohlfahrtsverbände  spielt.

Margit Mayer, 2005: “Drittsektor-Organisationen in der Politik gegen soziale Ausgrenzung. Neue Partner der Verwaltung?” In: Local Power. Mehr Bürgerengagement durch Governance? Forschungsjournal Neue Soziale Bewegung 3/2005, S. 58-68.

Wir würden gerne noch etwas allgemeiner über ‚Arbeitslosigkeit‘ nachdenken. Welche Rolle spielen Arbeit und Arbeitslosigkeit in einem kapitalistischen System? Greift der Begriff der ‚industriellen Reservarmee‚ noch immer? Einige Lesehinweise dazu hier – wir hoffen, wir können darauf zurückkommen:

Zum Zusammenwirken von Arbeitslosigkeit und prekären Lohnarbeitsverhältnissen, dem Kampf der Arbeiter*innen über ihre Arbeitskraft selbst zu entscheiden und den Versuch des Kapitals immer ‚billigere Arbeit‘ zum Zweck der Profitmaximierung durchzusetzen, siehe: Wildcat „Prekarisierung und industrielle Reservearmee“.

„Wenn der Arbeitslose unglücklich ist, so liegt das nicht daran, daß er keine Arbeit hat, sondern daß er kein Geld hat. Also sollten wir nicht mehr von „arbeitslos“, sondern von „geldlos“, nicht mehr von „Arbeitssuchenden“, sondern von „Geldsuchenden“ reden, um die Dinge klarer zu stellen.“ Kritik am Konzept der Arbeit, der Kontrolle und Schikane von Arbeitslosen sowie der Angst vor Arbeitslosigkeit im „Manifest der Glücklichen Arbeitslosen“.