Gemeinsam erfolgreich mit dem Bürger-Alarm-System

Die Stadt Offenbach verfügt seit 2005 „als erste Deutsche Großstadt“ über ein Bürger-Alarm-System. Ca. 5000 Offenbacherinnen und Offenbacher sind per Telefon mit der Polizei verbunden und erhalten im Jahr etwa 40 „Sicherheitsrelevante Informationen“. Dazu gehören Warnungen vor Einbrechern oder Trickdieben aber auch Verkehrs bezogene Informationen. Gleichzeitig kann die Polizei die Teilnehmer über das System auch um Hinweise bzgl. verdächtiger Personen bitten. Hier den Link zum offiziellen Promovideo.

Trotz „modernster Technik“ scheint das System derzeit gerade nicht zu funktionieren, was bei den Teilnehmer*innen für Unmut und Verunsicherung sorgt. „Der Software-Hersteller ist schon lange krank und nicht mehr in der Lage, das defekte System zu reparieren.“, so die Stellungsnahme des Vorsitzenden des Fördervereins „Sicheres Offenbach“ gegenüber der Offenbacher Presse. Nun soll es aber bald ein neues System geben.


Entschuldigung, aber worum geht’s hier eigentlich!?

Wir empfehlen an dieser Stelle unbedingt folgenden Artikel:

Stadtteile machen mobil – Von GWA, Gewalt und Gouvernementalität von Sabine Stövesand. Stövesand macht hier deutlich, wie sehr sich Vorstellungen von Sicherheit und Kriminalität mit dem Wegbrechen des Wohlfahrtsstaates verändert haben. ‚Sicherheit‘ umfasst nicht mehr „Fragen nach sozialer Sicherheit wie die Sicherheit, auf eine gute Krankenversorgung, auf ein menschenwürdiges Auskommen im Alter zählen zu können, auf erschwinglichen Wohnraum, Bildung und Perspektiven für die Kinder […]. Nicht gesellschaftliche Ausgrenzung und wachsende Zukunftslosigkeit ist der Ausgangspunkt der Sicherheitskonferenzen, sondern die Auffälligkeiten einzelner Personengruppen werden durch die Betonung eines eingeschränkten Sicherheitsaspektes in den Vordergrund gedrängt“. Sie zeigt wie städtische Sicherheitspolitiken sich zunehmend an individuellen (aber auch medial forcierten) Sicherheitsbedürfnissen ausrichtet, welche bereits durch Faktoren wie Lärm, Müll, sowie den Verfall von Gebäuden, aber auch durch unangepasstes Verhalten (Herumlungern, Drogenkonsum u.ä.) dermaßen beeinträchtigt werden, dass sie pauschal zu Sicherheitsrisiken erklärt werden, die in besonderem Maße zu kontrollieren seien.

„Nicht Armut oder die Drogenabhängigkeit werden so bekämpft, sondern die Armen, die ‚Fremden‘ und die KonsumentInnen illegaler Drogen. Der strafende Staat scheint den helfenden Staat abzulösen.“

Sie beschreibt wie der Bezug auf „Bürgerengagement als Mittel einer effektiven Kriminalitätskontrolle“ (also die zunehmende Betonung der ‚Eigenverantwortlichkeit‘ der Bewohner*innen – auch im Bereich der ‚Sicherheit‘) in diesem Kontext zunehmend an Bedeutung gewinnt. Maßnahmen, welche die Bewohner*innen zu einer engagierten sozialen Kontrolle aufrufen, ein spezifisches Netz an sozialen Beziehungen stärken, sowie klare Bilder von potenziell gefährlichem Verhalten produzieren, finden Einzug in die städtischen Politiken.

Was daraus folgt sind Platzverweise, Überwachungsmaßnahmen, Mängelmelder etc., die jede Form unangepassten Verhaltens melden und ahnden. Bestimmte Gruppen, wie Drogenabhängige, Jugendliche, Migrant*innen etc. werden pauschal verurteilt und als Risikogruppen definiert, während strukturelle Hintergründe und „biographische Gewordenheiten“  kaum eine Rolle spielen. Die Aktivierung der sich gegenseitig kontrollierenden Bewohner*innen führt somit zu krassen Ausschlussmechanismen und diskriminierenden und reduktionistischen Einschätzungen, welche strukturelle Probleme wie ‚Armut‘ zu individuellen Merkmalen bzw. einer individuellen Schuld umdeuten und armutsbedingte wie subkulturelle Verhaltensweisen systematisch kriminalisiert

Interessant ist Stövesands Artikel vor allem deshalb, weil sie die Rolle der Gemeinwesensarbeit, die ebenfalls auf Selbstorganisation und -hilfe setzt, in diesem Kontext kritisch reflektiert. Im Bezug auf die Rolle des QMs in Offenbach, welches ebenfalls in Form von Kontrollgängen durch die Stadt die Rolle des ‚Ordnungshüters‘ übernimmt oder mit Hilfe des Projekts ‚Besser leben in Offenbach‘ und Angeboten wie dem Mängelmelder, die Bewohner*innen zur Ausübung zunehmender sozialer Kontrolle aktiviert, scheint uns ihre Kritik an dieser Stelle mehr als angebracht. So fordert sie u.a. anzuerkennen, dass die Einbettung von Empowerment–Ansätzen in neoliberale Strategien, jeglichen (möglicherweise vorhandenen) emanzipatorischen Gehalt auflöst. Sie plädiert folglch für eine kritischere Selbstreflexion dieser Maßnahmen, die Klarheit darüber generieren, unter welchen Bedingungen sie ausgeführt werden und werden können. Darüberhinaus fordert sie anzuerkennen, dass wer „die Konzentration von Armen und nicht die Armut selbst“ als Problem definiert, „die Stigmatisierung des eigenen Klientels und die Legitimierung des schlanken und strafenden Staates selbst übern[immt]“. Stattdessen sei es an der Gemeinwesenarbeit (unter die wir das Quartiersmanagement mit seinen ’sozialen Projekten‘ ebenfalls subsumieren) sich in dieser Hinsicht deutlich zu positionieren in dem sie beginnt politisch zu argumentieren und zu handeln:

„Insbesondere gilt es, für das Grundprinzip einer solidarischen Gesellschaft zu streiten, die soziale Rechte garantiert und für eine Chancengleichheit ihrer Mitglieder, die nicht nur kulturell, sondern auch materiell gefasst wird. […] Es ist erforderlich, gegen die Dominanz des Sicherheitsdiskurses und der Ordnungspolitik, die ganze Zielgruppen der Sozialen Arbeit kriminalisiert bzw. zu „gefährlichen Klassen“ erklärt, Stellung zu beziehen. Zwischen Sozialarbeit und Polizeiarbeit sollte es nicht zu osmotischen Prozessen kommen.“